13/06/2020 18:00Uhr

Spaziergang durch den Humboldthain – Kunst abseits der ausgetretenen Pfade

…zusammengestellt von Jannes Riemann – langjähriger Bewohner des Viertels, JM-Mitglied und bekennender rhizomatischer Spaziergänger.

Ich habe für die Jungen Meister:innen einen “ganzheitlichen” Spaziergang zusammengestellt – mit Ess- und Trinktipps für den Weg. Wir beginnen bei der Teilung Berlins, dann geht es durch das Brunnenviertel und durch den Volkspark Humboldthain. Unser Spaziergang endet in einer Galerie im Schwimmbad des Parks. Packt also die Badehose ein wenn ihr mögt.

In einer Zeit, in der wir euch nicht persönlich treffen können, hoffen wir, euch hiermit eine Freude machen zu können.

Der Spaziergang dauert ca. 1 Stunde zu Fuß. Mit Pausen solltet ihr 90 Minuten einrechnen. Ihr könnt euch natürlich auch auf’s Fahrrad schwingen!

Die Route findet ihr hier.

If Walls Could Talk

Künstler*innen: Marcus Haas von “Die Dixons” aka Xi-Design feat. Size Two & Mario Mankey

Standort: Strelitzer Straße 28, Bernauer Straße, Ecke Strelitzer Straße

Entstanden: 2016

Eigentlich sollte das Mural nur drei Monate an der Hauswand bleiben: If Walls Could Talk zeigt ein Messer, das ein Stück Fleisch durchschneidet, ähnlich wie die Berliner Mauer einst diese Stadt zwischen 1961 und 1989 durchschnitt. Doch schon vor dem Mauerbau – ab der Gründung beider deutschen Staaten 1949 – wurde Berlin administrativ und technisch getrennt: Behörden, Kanalisation, Strom und Gasversorgung.

Erst auf den zweiten Blick zu erkennen: In der Faserung des Fleisches sieht man die Unterteilung von Berlin in Bezirke und Ortsteile.

ReSales
Second-Hand-Mode, ehemaliger Kino-Eingang

Standort: Brunnenstraße 132

Wir sind jetzt im Brunnenviertel, im alten Westberlin und gehen Richtung Gesundbrunnen.

Könnt ihr erkennen, dass hier mal ein Kino war? Hier sehen wir einen der wenigen Rückstände der Westberliner Kino-Kultur im alten Wedding. Über der Tür war Platz für Kino-Werbung, links und rechts sehen wir die geschwungenen Schaukästen für das Kinoprogramm.

Der Westberliner Bezirk Wedding war voller Kinos, denn vor dem Mauerbau im Jahre 1961 gingen viele Ostberliner*innen in Kinos direkt an der Grenze, da man hier günstig westliche Spielfilme schauen konnte, ohne weit zum Ku’damm fahren zu müssen. Nach dem Mauerbau stand das zentral gelegene Brunnenviertel im ‘Schatten der Mauer’, ähnlich wie Kreuzberg.

Ein alter Arbeitskollege von mir erzählte von den amerikanischen Spielfilmen, die er als kleiner Junge vor dem Mauerbau in den Weddinger Kinos sehen konnte. Eine Straße weiter hingegen waren die Filme voller DDR-Propaganda.

Nach dem Mauerbau mussten viele Kinos in Grenznähe schließen, da das Ostberliner Publikum nun vollends vom DDR-Regime ‘eingemauert’ war. Fluchtversuche in der Nähe endeten oft tödlich.

Danke für den Hinweis auf das Kino von Andrei Schnell auf einer Führung über die Weddinger Vergnügungskultur mit “anno erzählt.”

Brunnenpavillon

Künstler: Paul Pfarr

Standort: Brunnenstraße 83, dann kurz den Fußgängerweg Richtung Putbusser Straße runterlaufen

Jahr: 1984/1985

Paul Pfarr hat sieben Skulpturen in Berlin geschaffen, darunter auch sein “Prototyp” am Flughafen Tegel. Von ihm gibt es auch einen Brunnen mit Metallplastik in der Nähe, in der Brunnenstraße 75.

Auf den Motiven der vier Platten trifft Funktionales und Dekoratives zusammen. Ihr seht rutschsichere Platten mit italienischer Beschriftung, Hauswände, Lüftungssysteme, eine Art Glocke, eine Zielscheibe, wie in Stein gemeißelte antike Figuren.

In einem Buch über den Künstler heißt es: 

“Paul Pfarr verarbeitet Fund-Sachen. (…)

Im Laufe der Jahre wurde der Künstler immer folgerichtiger Organisator seiner Funde. Fund-Stücke regen ihn auf, regen ihn an. Er läßt sie unverändert. Mit wenigen Zutaten wird bis dahin unsichtbarer, nicht vorstellbarer Sinn ausgereizt. Die Funde sind ziellos-gezielt gesucht – ein schwer auflösbarer, nicht unbedingt logischer Vorgang.

Das Arbeitsziel irrlichtert; Paul Pfarr kreist es suchend, findend ein: Es gilt, aus aufgegebenen, abgelegten Materialien Spuren oder Elemente weiterwirkenden Lebens zu sichern – so ist der Künstler Paul Pfarr immer unterwegs …”

(Hier kommt ihr zur Quelle)

Die hier zu sehende Arbeit platzierte der Künstler zwischen Wohnblocks aus den Achtziger Jahren, die nach einer “Kahlschlagsanierung” gebaut worden sind. In einer Publikation vom Bezirksamt Wedding 1990 heißt es:

„Ehemaliges Arbeiterwohnquartier; seit 1961 größtes zusammenhängendes Sanierungsgebiet der Bundesrepublik“. Vom Abriss betroffen waren 39 Baublöcke, 17.000 Wohneinheiten mit etwa 40.000 Bewohner/innen und 1760 Läden und Betriebe des Klein- und Mittelgewerbes. Das Brunnenviertel hatte die Bombardierungen des Zweiten Weltkriegs vergleichsweise unbeschadet überstanden. Jetzt wurden berühmt-berüchtigte Mietskasernen wie Meyers Hof (Ackerstraße 132), in dem es 77 Kleinbetriebe vom Zigarrenmacher über den Bildhauer bis zur Nudelfabrik und 257 Wohnungen mit bis zu 2100 Personen gegeben hatte, abgerissen.”

(Hier kommt ihr zur Quelle)

Im Westberliner Kreuzberg hingegen, das sich in einer ähnlichen Randlage befand, konnten durch eine Bürger*innenbewegung viele Altbauten erhalten bleiben.

Bevor ihr in den Volkspark Humboldthain hineinlauft – und den Hügel hochlauft – kauft euch am besten noch ein Getränk oder ein Eis bei “Henry” in der Brunnenstraße.

Mahnmal für die Einheit Deutschlands

Künstler: Arnold Schatz

Standort: Auf dem Flakturm im Volkspark Humboldthain, Beschilderung “Zum Flakturm” folgen.

Jahr: 1967

Im Volkspark Humboldthain, benannt zu Ehren Alexander von Humboldts hundertjährigen Geburtstags (1869), lauft ihr einen Hügel hinauf. Dieser Hügel besteht aus Kriegstrümmern, die nach dem zweiten Weltkrieg um die Verteidigungs- und Bunkeranlagen der Nazis aufgeschüttet worden sind. Einige Backsteinreste des alten Berlins sieht man heute immer noch aus der Erde herausschauen.

Oben seht ihr eine Skulptur von Arnold Schatz:

“Die elf Meter hohe Skulptur steht auf einem ummauerten Betonsockel und besteht aus zwei stelenartigen Metallteilen, die von einem Ring umfasst und zusammengehalten werden. Damit sollte die Teilung Deutschlands symbolisiert werden und die Hoffnung weiter leben lassen, die Teilung eines Tages zu überwinden.”

(Quelle )

…und die Hoffnung hat geholfen (natürlich auch die Anstrengungen der oppositionellen Bürger*innenbewegung in der DDR). Die Inschrift “Mahnmal der Einheit Deutschlands, 13.8.67 Arnold Schatz’” wurde vom Weddinger Bürgermeister einen Tag vor dem ersten Jahrestag der Wiedervereinigung Deutschlands enthüllt – am 2. Oktober 1991.

TROPEZ im Sommerbad Humboldthain


Galerie und Kiosk, Wiesenstraße 1, 13357 Berlin

Montag – Sonntag, 10 Uhr bis 18 Uhr. Eintritt: Die normalen Schwimmbadpreise

Wenn ihr den Trümmerberg und Nazi-Bunker wieder hinabsteigt, gibt es Kunst und Pommes bei Tropez im Sommerbad Humboldthain.

Der Kunstraum und Kiosk wurde von Nele Heinevetter initiiert und bietet ein Sommerprogramm für jung und alt, teilweise auf der weitläufigen Liegewiese des Bads. Hier eröffnet am 25. Juni 2020 die Ausstellung Reality – das Schwimmbad mit dem “Kunst-Kiosk” hat allerdings schon jetzt auf.

Ein weiterer kulinarischer Tipp: “Café Pförtner” bei den Uferhallen/Uferstudios

Uferstraße 8-11, 13357 Berlin

Wer noch etwas solides Essen will, der kann auch noch zum Café Pförtner gehen. Dort gibt es auch vegane und vegetarische Küche. Es sind ca. 20 Minuten zu Fuß vom Volkspark Humboldthain.

Das Café mit Restaurant befindet sich auf einem denkmalgeschützten Straßenbahn-Areal mit 80 Ateliers, Atelierwohnungen, Tanz- und Proberäumen, Tonstudios, dem “Pianosalon Christophori”, einer Ausstellungshalle und Werkstätten.

Das tagesaktuelle Menu gibt es hier.

Guten Appetit!  

Wenn ihr Fotos von eurem Spaziergang auf Instagram postet, freuen wir uns wenn ihr den Hashtag #jmsweetthirteen verwendet und @jungemeister_innen markiert!

 

 

 

 

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